Energietransformation in Usbekistan

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10.07.2023 - Usbekistan setzte bislang vor allem auf Energie aus Erdgas. Nach einer ernsten Energiekrise im vergangenen Winter will das Land nun die erneuerbaren Energien zügig ausbauen. Zudem soll die Energieeffizienz gesteigert werden, etwa durch Sanierungen im Gebäudebestand. Experten sehen große Chancen für die deutsche Wirtschaft.

Erneuerbare Energien nehmen eine wachsende Rolle ein

Infokasten Usbekistan

Lage: Zentralasien, Usbekistan grenzt an Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Afghanistan und Turkmenistan
Fläche: 448.978 km2
Einwohner: 35,3 Millionen
Hauptstadt: Taschkent, 2,9 Millionen Einwohner
Geschäftssprachen: Usbekisch, Russisch, Englisch
Durchschnittsalter der Bevölkerung: 29,1 Jahre
BIP zu Markpreisen 2021: 69,1 Milliarden US-Dollar
BIP/Kopf 2021: 1980,2 US-Dollar
Anteil von Erdgas am Energiebedarf (TES) 2020: 83 Prozent
Anteil der erneuerbaren Energien am Energiebedarf (TES) 2020: Unter 1 Prozent
Rule of Law-Index: Rang 85 von 128 untersuchten Ländern
Global Innovation Index: Rang 98 von 132 untersuchten Ländern
Corruption Perception Index: Rang 144 von 178 untersuchten Ländern

Der Winter 2022/2023 wird vielen Usbeken lange in schlechter Erinnerung bleiben. Eine Kältewelle erfasste das Land. Die Temperaturen fielen tagsüber in der Hauptstadt Taschkent auf -20 Grad Celsius – der kälteste Winter seit einem halben Jahrhundert, der den Wärmebedarf in die Höhe trieb. Zusätzlich wurden Gasimporte aus Nachbarstaaten storniert. Die Infrastruktur zeigte sich von der doppelten Krise überfordert: In Taschkent mussten Warmwasser und Heizung in den meisten Stadtbezirken eingestellt werden. „Das Gasversorgungssystem war überlastet, es kam zu einer Energiekrise“, sagt Elena Metzger, Projektleiterin für Zentralasien der Deutschen Energie-Agentur (dena).

„Für Usbekistan war das ein Weckruf“, so Eduard Kinsbruner, Regionaldirektor Zentralasien vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Die Energiekrise hat Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Usbekistan in ihrem Ziel bestätigt, dem Energiebedarf des Landes mit umfangreichen Investitionen zu begegnen. Diese konzentrieren sich auf drei Sektoren, erklärt Elena Metzger: den Ausbau der erneuerbaren Energien, die Modernisierung der Netze sowie die energieeffiziente Sanierung des oftmals noch aus Sowjetzeiten stammenden Gebäudebestands. „All dies bedeutet große Chancen für deutsche Unternehmer, Zulieferer und Planer“, sagt die dena-Expertin.

Bevölkerung wächst, Energiebedarf steigt

Die Industrie benötigt mehr Strom für eine erfolgreiche Entwicklung

Nötig sind Investitionen auch deshalb, weil der Energiebedarf des Landes steigt. In Usbekistan leben rund 35 Millionen Menschen. Das sind fast so viele, wie in den übrigen zentralasiatischen Ländern zusammen. Binnen eines Jahres wuchs die Bevölkerung um 2,1 Prozent; rund 45 Prozent sind jünger als 25 Jahre.

Bislang basiert die Energieversorgung des Landes vor allem auf dem Einsatz fossiler Brennstoffe, insbesondere von Erdgas, das rund 85 Prozent des Energiebedarfs deckt. Doch einerseits gehen die Reserven zurück, andererseits hat die Regierung das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet und sich verpflichtet, die CO2-Emissionen pro Einheit des BIP bis zum Jahr 2030 um 35 Prozent im Vergleich zum Jahr 2010 zu senken.

Beide Entwicklungen zusammen werden in den kommenden Jahren hohe Investitionen in den Energiesektor verlangen. Erneuerbare Energien sollen nach Angaben des usbekischen Energieministeriums bis zum Jahr 2030 rund 30 Prozent des Strombedarfs decken. Bis dahin sollen Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von 7 GW und Windkraftanlagen mit einer Leistung von 5 GW errichtet werden. Usbekistan verfügt über eine hohe Sonneneinstrahlung, deren Durchschnittswert über dem von Spanien liegt. Im Westen des Landes liegt die durchschnittliche Windgeschwindigkeit bei über 8 Metern pro Sekunde und damit auf dem Niveau von den besten Offshore-Standorten.

Alleine im Jahr 2023 ist die Installation von Solar- und Windkraftkapazitäten mit einer Leistung von 4,3 GW geplant. Neben Großanlagen setzt die Regierung auf den Ausbau der dezentralen Energieversorgung. Seit dem 1. Mai 2023 müssen auf neu errichteten Wohngebäuden Photovoltaik-Anlagen installiert werden.

Deutsches Know-how bei Erneuerbaren und Energieeffizienz-Technologien gefragt

Die Regierung von Usbekistan plant einen Ausbau von PV-Anlagen

Für die deutsche Wirtschaft bietet dieser Ausbaukurs Chancen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. „Besonders beim Ausbau von Windenergie und Photovoltaik ist deutsches Know-how gefragt“, sagt Eduard Kinsbruner. Projektplaner und ausführende Unternehmen werden in Usbekistan ebenso benötigt wie Unternehmen, die die Solarpaneele transportieren. Auch die Qualitätssicherung ist ein potenzielles Aufgabenfeld.

Zusätzlich setzt Usbekistan auf Energieeffizienzmaßnahmen, besonders im Gebäudesektor. Denn viele Gebäude stammen noch aus der Sowjetzeit und sind schlecht gedämmt. Fernwärmenetze sind veraltet, die individuelle Regulierung der Temperatur in den Wohnungen ist oft nicht möglich. Rund 50 Prozent der Endenergie wurden 2021 im Gebäudesektor verbraucht, der damit der größte Energiekonsument Usbekistans war.

Taschkent: eine moderne Stadt mit einer jungen Bevölkerung

Die Sanierung und Modernisierung des Gebäudebestands bietet der deutschen Baubranche Chancen – zu einem Zeitpunkt als die Baukonjunktur in Deutschland lahmt. Bedarfe bestehen unter anderem an Planern, Ausführern und Beratern, der Qualitätssicherung sowie auch der Produktion von Materialien vor Ort. So ergab eine Studie der dena, dass zahlreiche Dämmmaterialien wie Mineralschaumdämmplatten, Schaumglas oder Holzfaser in Usbekistan nur über den Import verfügbar sind. Hersteller von Wärmedämmverbundsystemen und Vorhangfassaden sind in Usbekistan nicht ansässig. Auch deutsche Hersteller von Fenstern könnten in Usbekistan einen neuen Markt erschließen.

Die Zusammenarbeit in den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien wird auch auf Regierungsebene durch den Deutsch-Usbekischen Energiedialog realisiert, der 2020 von der Bundesregierung initiiert wurde. Dieses Format wird von der dena umgesetzt.

KfW-Förderung und Hermesdeckung

Die Produktion von Baumwolle ist für die Wirtschaft von großer Bedeutung

Bislang sind nur wenige deutsche Unternehmen in Usbekistan aktiv. Bei großen Projekten kamen zuletzt Entwickler aus den Vereinigen Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Frankreich zum Zuge. Diese Unternehmen machen sich damit bereits das durch die wirtschaftsliberalen Reformen von Präsident Shavkat Mirziyoyev verbesserte Geschäftsklima zunutze. „Das Land ist seit Jahren politisch stabil und das Interesse an einer Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen ist da“, sagt Elena Metzger.

Unterstützt wird der Umbau des usbekischen Energiesystems durch das Engagement von Entwicklungsbanken wie der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). Deutsche Unternehmen können ihre Investitionen durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) fördern und durch Euler Hermes absichern lassen.

Besondere Risiken für deutsche Unternehmen sieht Eduard Kinsbruner vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft nicht. Wollen sich Unternehmen in Usbekistan engagieren, sei Präsenz vor Ort wichtig, sagt Anna Kim, Projektmanagerin der Delegation der Deutschen Wirtschaft für Zentralasien (AHK Zentralasien). Sie plädiert dafür, die Möglichkeiten des usbekischen Marktes zu prüfen: „Jetzt besteht die Chance, die Zukunft des usbekischen Energiemarkts mitzugestalten und sich als deutsches Unternehmen gut zu positionieren.“

Die Textil- und Bekleidungsindustrie wächst weiter in Usbekistan

Kontakt zur dena

Elena Metzger, Team Leader, International Cooperation
Telefon: +49-30-66777795
E-Mail: elena.metzger(at)dena.de

Kontakt zur AHK

Delegation der Deutschen Wirtschaft für Zentralasien
Telefon: +7-727-3561061
E-Mail: Inna.Schirly(at)ahk-za.kz

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