Zukunftstechnologie für Usbekistan

Agri-PV für Strom vom Acker

10.07.2023 - Bislang gibt es nur wenige kommerzielle Anwendungen der Agri-Photovoltaik. In Usbekistan mit seiner hohen Sonneneinstrahlung und dem bedeutenden landwirtschaftlichen Sektor könnte sich dies ändern.

Schafe und Solarpark sorgen für eine effiziente Flächennutzung

Wer durch Usbekistan reist, blickt schnell auf ausgedehnte, weiß gesprenkelte Felder. Das Land ist ein wichtiger Produzent von Baumwolle. Auch Getreide wird in Usbekistan im großen Stil angebaut. Im Jahr 2019 trug die Landwirtschaft 27,1 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Rund 27 Prozent aller beschäftigten Personen arbeiteten in diesem Bereich, das sind rund 3,7 Millionen Menschen. Während Baumwolle und Weizen meist von Großunternehmen kultiviert werden, stehen kleinere landwirtschaftliche Betriebe für mehr als die Hälfte des in Usbekistan angebauten Weins, für 57 Prozent der Obst- und Beerenkulturen, zwei Drittel des Gemüse- und 82 Prozent des Kartoffelanbaus. Für Usbekistan ist die Landwirtschaft ein Zukunftssektor: Gerade der Anbau von Obst und Gemüse soll in den kommenden Jahren ausgebaut werden.

Die landwirtschaftlichen Betriebe könnten aber auch bei einem weiteren ambitionierten Projekt der usbekischen Politik eine Rolle spielen: Dem Umbau der Energieversorgung. Bislang basiert diese in wesentlichen Teilen auf Erdgas. Im Winter 2022/23 führte eine Kältewelle in Kombination mit stornierten Gasimporten aus Russland zu einer Energiekrise. In vielen Städten floss aus den Leitungen kein warmes Wasser mehr, auch die Heizungen fielen aus.

Weniger Wasservergeudung auf dem Feld

Bessere Erträge durch Verbesserung der Bodenqualität und weniger Wasserverbrauch

Neben dem Klimaschutz hat sich Usbekistan mit der „Green Economy Transition Strategy“ bis zum Jahr 2030 auch einer effizienteren Wassernutzung in allen Wirtschaftssektoren verpflichtet. Landwirte sollen den Wasserverbrauch pro Hektar um 20 Prozent reduzieren. Gleichzeitig sollen sie ihre Produktivität um 20 bis 25 Prozent und die Ernteerträge um 20 bis 40 Prozent steigern. Außerdem soll die Bodendegeneration bis zum Jahr 2030 gestoppt werden.

Um ihre energiepolitischen Ziele zu erreichen, setzt die usbekische Regierung einerseits auf den Ausbau der dezentralen Energieversorgung, etwa durch den verpflichtenden Einbau von Photovoltaik (PV) auf Neubauten. Andererseits steht der Bau großer Solar- und Windkraftanlagen im Fokus. Tatsächlich sind die naturräumlichen Voraussetzungen in Usbekistan dafür gut geeignet, da das Land nicht besonders dicht besiedelt ist. An 330 Tagen im Jahr scheint die Sonne und die Sonneneinstrahlung ist hoch.

Agri-PV auf dem Vormarsch

Nur wenig Land steht für eine einzige Nutzungsart zur Verfügung

Auch die Landwirtschaft bietet in diesem Zusammenhang großes Potenzial. In den vergangenen Jahren haben verschiedene Pilot- und Forschungsanlagen gezeigt, dass mit sogenannten „Agri-PV“-Anlagen große Mengen Strom erzeugt werden können. Grundsätzlich lassen sich zwei verschiedene Agri-PV-Systeme unterscheiden. Mit „geschlossenen Agri-PV-Systemen“, sind vor allem Gewächshäuser gemeint, auf denen PV-Paneele installiert werden. „Offene Systeme“ können entweder vertikal bodennah oder auf Ständern über den landwirtschaftlichen Flächen errichtet werden. Landwirte können die Böden zwischen oder unter den Anlagen dabei weiterhin bewirtschaften. Bodennahe Konstruktionen zeichnen sich durch einen vergleichsweise günstigen Preis aus, während die aufgeständerten Anlagen die Landfläche effizienter nutzen. Bauern können durch den Verkauf des mit Agri-PV-Anlagen gewonnen Stroms zudem ihr Einkommen diversifizieren.

Höhere Erträge und weniger Bodenerosion

PV-Leistung lässt sich durch eine ressourceneffiziente Landnutzung ausbauen

Agri-PV-Systeme bieten abseits der Stromerzeugung weitere Vorteile, die mit den Zielen der usbekischen Regierung in Einklang stehen. Vertikale Agri-PV-Anlagen können als Windbrecher fungieren und so der Bodenerosion entgegenwirken. Aufgeständerte Anlagen schützen die Ernte durch eine Teilüberdachung vor witterungsbedingten Schäden wie Hagel und Frost. An den Anlagen installierte Regenrinnen können beim Wassermanagement helfen. Zudem verringert Agri-PV durch Verschattungen die Verdunstung und damit die Austrocknung des Bodens. Angesichts des Klimawandels und der sich ändernden Niederschlagsmuster sowie zunehmender Trockenheit könnte Agri-PV in Usbekistan so die Ertragskraft der Landwirtschaft erhalten – und in manchen Fällen sogar steigern.

Von einer dualen Flächennutzung profitieren der Gemüseanbau und PV-Anlagen

Grundsätzlich eignen sich alle Kulturpflanzen für den Anbau unter einer Agri-PV-Anlage, ergaben Untersuchungen des Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Schattentolerante Kulturen scheinen allerdings besonders geeignet. Dazu zählen u. a. die in Usbekistan angebauten Kartoffeln, Tomaten und Baumwolle, deren Erträge unter Agri-PV-Anlagen in Versuchen um bis zu 40 Prozent gesteigert werden konnten.

Zu den Nachteilen der Technologie zählen die aktuell rund 50 Prozent höheren Installationskosten im Vergleich zu PV-Freiflächenanlagen. Zudem fehlen internationale Erfahrungen mit kommerziell genutzten Agri-PV-Anlagen. Die bisher größte Anlage dieser Art wurde mit einer installierten Leistung von 1 GW in China errichtet.

Wann kommt das erste Pilotprojekt?

Wasser ist ein kostbares Gut in Usbekistan

Im Prinzip bescheinigen Fachleute der Technologie gerade in Ländern wie Usbekistan einen hohen Nutzen. „Besonders in (semi-)ariden Schwellen- und Entwicklungsländern mit hoher Sonneneinstrahlung kann Agri-PV durch ihren Mehrfachnutzen entscheidende Vorteile bringen“, bilanziert das Fraunhofer-Institut in der Studie „Agri-Photovoltaik: Chance für Landwirtschaft und Energiewende“.

Mit einer Agri-PV-Anlage, etwa als Pilot- oder Leuchtturmprojekt, könnte sich Usbekistan als technologischer Vorreiter in Zentralasien positionieren, sagt Elena Metzger, zuständige Projektleiterin der dena für den Deutsch-Usbekischen Energiedialog der Bundesregierung. Deutsche Unternehmen, die sich daran beteiligten, würden ihre Ambitionen in dieser Zukunftstechnologie unterstreichen.

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