Konsequent umsetzen

Wärmewende braucht mehr Effizienz

04.10.2023 - Anfang Oktober hat die neue Heizperiode begonnen. Christian Stolte, Leiter des Bereichs Klimaneutrale Gebäude der dena, ordnet die aktuelle Debatte rund um die Wärmewende ein. Außerdem unterstreicht er die Bedeutung von effizienten Gebäuden für die Klimaneutralität 2045.

Christian Stolte, Bereichsleiter Klimaneutrale Gebäude / Bild: Götz Schleser

Vor einem Jahr blickte Deutschland voller Sorge auf die kommenden Wintermonate. Der Füllstand der Gasspeicher war auf einmal omnipräsent in den Nachrichten, ebenso wie Energiespartipps, denn die Preise für alle wichtigen Energieträger – Gas, Öl, Strom – waren im Laufe des Jahres massiv gestiegen.  Auch dank Energiepreisbremsen und massiver Energieeinsparungen in Haushalten und Wirtschaft konnte das Schlimmste jedoch abgewehrt werden.

Klimaneutrale Technologien zwischenzeitlich auf dem Vormarsch

Heute ist die Situation mit Blick auf die Energieversorgung zwar ruhiger, geblieben sind allerdings höhere Energiepreise. Das hat aber auch mit dazu geführt, dass sich seit dem letzten Jahr der Markt für effiziente Heizungstechnologien und erneuerbare Energieträger sehr positiv entwickelt hat: Besonders Wärmepumpen haben Sprünge gemacht, die das angepeilte Ziel 2024 jährlich 500.000 Geräte abzusetzen, greifbar erscheinen lassen. Mit Blick auf die Absatzzahlen scheint es, dass klimaneutrale Technologien nicht nur im Neubau, sondern auch im Bestand stärker Fuß fassen und die Wärmewende endlich einen Sprung nach vorne machen kann.

Unerwartete Debatte um GEG-Novelle

Im Frühjahr dieses Jahres setzte gleichwohl eine politische, gesellschaftliche und mediale Debatte rund um die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) ein, welche wohl viele so nicht für möglich gehalten hätten. Um die Emissionen im Gebäudesektor zu senken, hat die Bundesregierung das Heizen mit erneuerbaren Energien schrittweise verpflichtend gemacht. Dafür war es auch höchste Zeit: Denn für die Klimaneutralität 2045 ist der Gebäudesektor unverzichtbar und ein wiederholtes Reißen der Ziele wie zuletzt keine Option. Die knapp 25 Mio. Wärmeerzeuger, von denen noch ca. 80 % mit fossilen Energieträgern betrieben werden, sind dafür der größte Hebel. Trotz dieser Notwendigkeit gab es monatelang Streit darum, wie der Umstieg auf klimafreundliches Heizen sozialverträglich gelingen kann.

Obwohl das Gesetz nach der Sommerpause nun endlich im Bundestag beschlossen wurde, war bereits große Verunsicherung bei Bürgerinnen und Bürgern entstanden. Darunter leiden auch die Märkte, die verstärkte Nachfrage nach klimaneutralen Heizungstechnologien scheint aktuell etwas abzuflauen: die Förderanträge für Wärmepumpen sind zurückgegangen. Aktuell werden die Förderbedingungen für 2024 diskutiert, Rekordsummen an Fördermitteln stehen zur Verfügung - allerdings stehen die genauen Bedingungen noch nicht final fest, was zu weiterem Abwarten führt.

Dank der Aufträge aus der ersten Jahreshälfte steht die Heizungsindustrie aktuell zwar noch gut da, die Aussichten für das nächste Jahr sind aber verhalten. Das gilt auch für das Handwerk, denn auch durch den stark zurückgegangenen Neubau droht sich weitere Krisenstimmung breit zu machen. Die gerade in die Umsetzung kommende Wärmewende verliert an Tempo.

Vorerst ein Ende ambitionierter Effizienzpolitik?

Mit Blick auf die Klimaziele steht zu befürchten, dass sich die Bundesregierung im Zuge der komplizierten GEG-Diskussionen weiter von einer ambitionierten Effizienzpolitik entfernt: Auf europäischer Ebene sollen bis Ende des Jahres Mindesteffizienzstandards verhandelt werden. Wichtig wäre, zukünftig alle Gebäude schrittweise fit für die Klimaneutralität zu machen und damit den Energiebedarf durch Sanierung zu reduzieren. Inwieweit mit der von der Bundesregierung derzeit favorisierten Durchschnittsbetrachtung bestimmter Gebäudegruppen dieses Ziel erreicht werden kann, ist ungewiss.

In ineffizienten Bestandsgebäuden liegen die größten - meist auch sehr wirtschaftlichen – Potenziale für Energieeinsparungen und gleichzeitig das höchste Risiko für Energiearmut für Gebäudebesitzerinnen und Mietende. Bereits heute sind hohe und schwankende Preise für fossile Energieträger eine Gefahr für bezahlbare und sichere Energieversorgung. Künftig wird der steigende Preis für CO2 aus dem EU-Emissionshandel diese Situation eher verschärfen. Die Verbesserung der Effizienz der Gebäude muss ebenfalls bedacht werden, denn auch erneuerbare Energien sind endlich und nicht kostenfrei. Laut der dena-Leitstudie „Integrierte Energiewende“ brauchen wir bis 2030 eine Sanierungsrate von knapp 2 Prozent, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Seit Langem schon stagnieren wir jedoch bei nicht einmal der Hälfte.

Learnings aus den Debatten ums GEG

Eine weitere Lehre muss aus den GEG-Debatten gezogen werden: Nur, wenn klar und frühzeitig kommuniziert wird, wie die Menschen bei der Umsetzung notwendiger Maßnahmen ausreichend unterstützt und insbesondere die bedürftigen Teile der Bevölkerung wirtschaftlich nicht überfordert werden, werden wir die so dringend notwendige Akzeptanz erreichen.  

Zudem haben die Diskussionen um das GEG den Bedarf nach einfachen und verlässlichen Informationen und Instrumenten nochmal verstärkt. Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass ihre geplanten Investitionen an der richtigen Stelle erfolgen und die möglichen Schritte der Sanierung einfach und verständlich sind. Dabei sind zwei Aspekte zentral: Verlässlichkeit und Verständlichkeit. Eine wirkungsvolle Energieberatung mit einem übersichtlichen individuellen Sanierungsfahrplan spielt hier eine zentrale Rolle. Sie nimmt das gesamte Gebäude in den Blick – also die Gebäudehülle, effiziente Anlagentechnik und die sinnvolle Einbindung erneuerbarer Energien.  Genau diesen Dreiklang braucht es für eine erfolgreiche Energiewende im Gebäudebereich – die im Sinne der Klimaneutralität eine konsequente Umsetzung braucht.

Dafür setzen wir uns seit Jahren bei der dena intensiv ein, zum Beispiel über die von uns koordinierte politische Plattform Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz (geea), das Gebäudeforum klimaneutral für Expertinnen und Fachleute sowie zahlreiche weitere Projekte.